Weltweit erkranken immer mehr Menschen an chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Aufgrund deren komplexer Natur und der zunehmenden Verbreitung stellen sie eine wachsende Herausforderung für Betroffene und das Gesundheitswesen dar. Für Sie als Nurse ist es von großer Bedeutung, ein einfühlsames Verständnis für diese Erkrankungen zu entwickeln, um den Patient*innen bestmöglich zur Seite zu stehen.
Chronisch-entzündliche Erkrankungen gelten als systemische Erkrankungen, die durch eine komplexe und multifaktorielle Ätiologie gekennzeichnet sind.1 Besonders in westlichen Industrieländern ist ein signifikanter Anteil der Bevölkerung von Autoimmunerkrankungen betroffen: Es wird geschätzt, dass bis zu 9 % der Menschen weltweit unter einer solchen Erkrankung leiden.2
Auch in Deutschland ist ein deutlicher Anstieg der Häufigkeit von immunvermittelten Erkrankungen (IMIDs) zu erkennen. Zwischen 2012 und 2018 ist die Zahl der gesetzlich versicherten Personen um etwa 500.000 Patient*innen gestiegen. Parallel zu der wachsenden Zahl an IMID-Diagnosen werden auch immer mehr Biologika-Therapien verordnet. In dem genannten Zeitraum erhöhte sich die Anzahl der mit Biologika behandelten Patient*innen um 43 %. Besonders auffällig ist diese bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) und Psoriasis, bei denen die Steigerungsraten bei etwa 100 % lagen.3
Chronisch-entzündliche Erkrankungen in Zahlen
Wie viele Menschen von einer Uveitis betroffen sind, ob welt- oder deutschlandweit, ist oft etwas schwieriger zu beziffern.9 Dies liegt daran, dass sich die Angaben zur Uveitis-Häufigkeit aufgrund verschiedener Faktoren unterscheiden können. Zu diesen Faktoren zählen unter anderem:10
- Art der Uveitis: anterior, intermediär, posterior und Panuveitis
- Art des entzündlichen Prozesses: akut, chronisch oder rezidivierend
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Ätiologie der Uveitis. In Entwicklungsländern erkranken Menschen oft aufgrund infektiöser Ursachen (30–60 %), während in Industrieländern nicht-infektiöse Ursachen häufiger sind.10
Insgesamt stellt Uveitis, sowohl infektiöser als auch nicht-infektiöser Natur, eine bedeutende Ursache für Sehbehinderungen weltweit dar und ist für 5–10 % der Fälle verantwortlich. Besonders gravierend ist die Situation in Entwicklungsländern, wo Uveitis für bis zu 25 % der Erblindungsfälle verantwortlich ist.10
Eine chronisch-entzündliche Erkrankung kommt selten allein
Chronische Entzündungserkrankungen weisen häufig immunologische Gemeinsamkeiten auf. Studien belegen, dass Patient*innen mit einer chronisch-entzündlichen Erkrankung ein erhöhtes Risiko haben, eine weitere Erkrankung aus diesem Formenkreis zu entwickeln. Tatsächlich sind zwischen 16,9 % und 27,5 % der Betroffenen von mehr als einer chronisch-entzündlichen Erkrankung betroffen. Eine interdisziplinäre Versorgung ist daher für diese Patient*innen besonders entscheidend.11
Weltweite Zunahme von chronisch-entzündlichen Erkrankungen – warum?
Immer mehr Menschen weltweit sind von chronisch-entzündlichen Erkrankungen betroffen – eine Entwicklung, die auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen ist. Die Gründe für diesen Anstieg sind vielschichtig und umfassen u. a. genetische Prädispositionen, Umweltfaktoren, Veränderungen im Lebensstil und Fortschritte in der medizinischen Diagnostik.1,2,5,7,12
- Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wird vermutet, dass die ansteigende Prävalenz in Deutschland unter anderem auf die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen sein könnte: Seit 2014 stieg die Anzahl der über 80-Jährigen um 23 % auf 7,3 % der deutschen Gesamtbevölkerung und die der 60- bis 80-Jährigen um 4,4 % auf 22 %.7
- Genetische Faktoren spielen bei der steigenden Entwicklung chronisch-entzündlicher Erkrankungen ebenfalls eine Rolle, denn bestimmte Gene und ihre chromosomale Position sind bei vielen Autoimmunerkrankungen identisch. Andererseits sind genetische Faktoren nur zu 5–50 % für diese Erkrankungen verantwortlich. Der restliche Anteil wird u. a. durch Umweltfaktoren wie Medikamente, Infektionen, Umweltverschmutzung, Alkohol, Ernährung, Kalorienzufuhr und körperliche Aktivität erklärt.2
- Eine Studie, die sich mit der Entwicklung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen beschäftigt, zeigt noch einen neuen Aspekt. Demnach kann das CED-Risiko ansteigen, wenn Menschen in westliche Industrieländer eingewandert sind. Die Forschenden vermuten, dass die „neuen“ Umweltfaktoren das Erbgut über Generationen beeinflussen und damit auch das Risiko für eine Erkrankung erhöhen. Insbesondere bei südasiatischen Eingewanderten wurde festgestellt, dass das Risiko umso höher wurde, je jünger das Alter bei der Einwanderung war.1
- Eine weitere mögliche Ursache für die wachsende Zahl an chronisch-entzündlichen Erkrankungen ist das Stillverhalten.1 Bei CED und rheumatoider Arthritis ist nachgewiesen, dass das Erkrankungsrisiko gesenkt werden kann, wenn für etwa 12 Monate gestillt wird.1,12 Statistiken zeigen allerdings auch, dass es deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen in Bezug auf das Stillverhalten gibt. So wird in westlichen Kulturen in der Regel weniger bzw. kürzer gestillt.1
- Als letzten Punkt könnte auch die Mikrobiota eine Rolle dabei spielen, dass immer häufiger chronisch-entzündliche Erkrankungen diagnostiziert werden. Studien zeigen, dass in urbanen Gebieten die Mikrobiota der Menschen weniger divers ist. Parallel dazu steigen in diesen Regionen die CED-Zahlen an. Als Gründe für die reduzierte Diversität werden Umweltfaktoren vermutet. Ernährung, Nikotinkonsum, erhöhter Antibiotikaeinsatz in der Kindheit und die Einnahme von Kontrazeptiva könnten hierbei ebenfalls eine Rolle spielen, insbesondere wenn eine genetische Prädisposition vorhanden ist.5
Überblick hilft, Kompetenzen zu erweitern
Für Sie als Nurse kann es in Ihrem Praxisalltag hilfreich sein, einen umfassenden Überblick über die Verteilung und das Vorkommen von chronisch-entzündlichen Erkrankungen zu haben. Dieses Wissen kann Sie dabei unterstützen, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Patient*innen sensibel einzugehen. Das Bewusstsein über …
… häufig zusammen auftretende Erkrankungen lässt Sie aufmerksam für Symptome sein, die nicht direkt zur Haupterkrankung gehören.
… die Bedeutung von Umweltfaktoren wie der Ernährung ermöglicht es Ihnen, Patient*innen in Bezug auf ihre Lebensgewohnheiten bestmöglich zu beraten.
… das verringerte Risiko für eine CED oder rheumatoide Arthritis bei längerem Stillen lässt Sie Patientinnen bei Unsicherheiten und Fragen optimal unterstützen.
Ein tieferes Verständnis rund um chronisch-entzündliche Erkrankungen gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Kompetenzen und Ihr Wissen zu erweitern und Betroffene bestmöglich zu betreuen.
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